Förderungen Projekte 2006
maecenia fördert
2006 neun Projekte von Frauen aus Wissenschaft und Kunst
Die Frankfurter Stiftung maecenia für
Frauen in Wissenschaft und Kunst hat 2006 ihre Fördersumme von
20.000 auf 27.300 Euro erhöht, was gemessen an dem hohen und ständig
wachsenden Bedarf an Fördermitteln für Frauen noch viel zu
wenig ist. Im vergangenen Jahr gingen 200 Anträge bei der Stiftung
ein. Davon wurden neun Projekte aus den Bereichen Frauenforschung,
bildende Kunst und Film ausgewählt:
„Gärtnerinnen und Forscherinnen:
Forschungen auf Loheland 1919-1933“
Antragstellerin: Dr. sc. agr. Anja Christinck, Gersfeld (Rhön)
Art des Projekts: Publikation
Anteilige Förderung: 4.000 Euro
Die Gründerinnen von Loheland - eine dörfliche Siedlung in
der Nähe von Fulda - gehörten zu den avantgardistischen Bewegungen
der 1920er und frühen 1930er Jahre. Ihr Wunsch war es, ein weitgehend
selbstbestimmtes Leben auf dem Lande zu führen und neue Gemeinschaftsformen
auszuprobieren. Neben der Eigenversorgung mit Lebensmitteln wurde auch
Forschung zum damals neu entstehenden biologischen Land- und Gartenbau
betrieben. Ziel des Vorhabens von Dr. Anja Christinck ist es, das vorhandene
Archiv zu erschließen, und den Beitrag der Gründerinnen zur
Entwicklung der biologisch/dynamischen Landwirtschaft zu dokumentieren.
„Zirkusartistinnen in Deutschland 1850 –1937“
Antragstellerin: Stephanie Haerdle, Berlin
Art des Projekts: Publikation
Anteilige Förderung: 3.000 Euro
Der historische Zirkus ist wissenschaftlich wenig untersucht. So gibt
es keine Darstellung zu Zirkusartistinnen, obwohl sie während der
Blütezeit des Zirkus wie Stars verehrt und bewundert wurden. Sie
konnten leben und arbeiten, ohne den Beschränkungen bürgerlichen
Frauenlebens unterworfen zu sein. Sie verdienten viel Geld und bereisten
die ganze Welt und wurden trotz Verletzung weiblicher Rollenvorgaben
nicht diskriminiert. Erst in der Weimarer Republik begann sich die öffentliche
Wertschätzung von Zirkusartistinnen abzuschwächen. Außer
den wenigen überlieferten Selbstauskünften der Artistinnen
(Briefe, Tagebücher, autobiographische Texte) wird die Autorin reichhaltiges
Bildmaterial und historische Pressetexte ihrer Darstellung zu Grunde
legen.
„Emmigrantinnen-Biographien“
Antragstellerin: Dr. Sylke Bartmann, Oldenburg
Art des Projekts: Publikation
Anteilige Förderung: 2.300 Euro
Das Buchprojekt von Dr. Sylke Bartmann beinhaltet autobiographische Lebensbeschreibungen
von Frauen, die schon 1940 entstanden sind. Anlass war ein wissenschaftliches
Preisausschreiben mit dem Titel: Mein Leben in Deutschland vor und nach
dem 30. Januar 1933 der Harvard-Universität. An Hand von zehn ausgewählten
Texten will die Autorin die jeweilige Wahrnehmung und den Umgang mit
dem NS-Regime herausarbeiten. Sie beschäftigt insbesondere die Frage
nach den „biographischen Ressourcen“, die den Emigrantinnen
das Weiterleben ermöglichten.
„Kommen Sie nach Hause“
Antragstellerin: Stephanie Adams, Köln
Art des Projekts: Ausstellungsserie
Anteilige Förderung: 3.500 Euro
Abseits des professionellen Kunstbetriebs zeigen Künstlerinnen und
Künstler Arbeiten in privaten Wohnungen, die häufig als Nebenprodukte
und frei vom „Erfolgszwang“ entstanden sind. Zuerst in Köln
und anschließend irgendwo auf der Welt erhalten die Ausstellungen
durch die Nationalität, Wohnkultur und den eigenen Stil der Bewohner
einen stets neuen individuellen Rahmen. maecenia bringt eine Ausstellung
nach Frankfurt, neugierig darauf, was durch das völlig offene Konzept
der Initiatorin entsteht.
„City of Bucur“
Antragstellerin: Aurelia Mihai, Hamburg
Art des Projekts: Video Projekt
Anteilige Förderung: 3.000 Euro
Aurelia Mihai setzt sich mit ihrem neuen Videoprojekt mit der Geschichte
ihrer Geburtsstadt Bukarest auseinander. Die Arbeit schlägt einen
visuellen Bogen beginnend mit dem idyllischen Mythos der Stadtgründung
bis hin zum monströsen Volkspalast als architektonisches Erbe der
Ceaucescu-Diktatur. maecenia fördert diese Arbeit, weil sie für
einen kreativen Umgang mit nationaler Herkunft und zeitgenössischer
Identität stehen kann.
„Anerkennungsprozesse von Künstlerinnen“
Antragstellerinnen: Moira Zoitl und Doris Berger, Berlin
Art des Projekts: Rauminstallation
Anteilige Förderung: 3.000 Euro
Moira Zoitl und Doris Berger arbeiten an einem künstlerisch-wissenschaftlichen
Projekt zu der Frage, in welchen Medien sich Künstlerinnen seit
den 1970er Jahren etablieren. Warum sind die wenigen Professorinnen an
den Kunsthochschulen hauptsächlich in den Bereichen Performance-
und Medienkunst tätig? Welche Institutionen und Initiativen unterstützen
Künstlerinnen und mit welchem Erfolg? Interviews mit zeitgenössischen
Künstlerinnen und statistisches Material bilden eine Rauminstallation
im Rahmen der Ausstellung „Sexy Mythos“, die in der Neuen
Gesellschaft für Bildende Kunst (NGBK) Berlin gezeigt wird. Zur
Ausstellung, die noch in Graz und Leipzig zu sehen sein wird, erscheint
ein Katalog.
„Mitten im malestream“
Antragstellerinnen: Helke Sander, Berlin
Art des Projekts: Film - Essay
Anteilige Förderung: 3.000 Euro
maecenia fördert die Postproduktion
eines Films von Helke Sander, der aufgrund seines Themas in unserer Medienlandschaft
wenig Verbreitungschancen
hat. Es geht um die ersten Jahre der Frauenbewegung in Deutschland mit
ihren spezifischen Diskursen. Was ist von den Analysen und Forderungen
von 1968 bis Anfang der 1970er Jahre geblieben? Die Autorin hat Aufnahmen
aus dieser Zeit (Fernsehberichte über Demonstrationen , private
Filme von feministischen Aktionen) zusammengetragen und sie mit einer
Diskussionsrunde von damaligen Akteurinnen und jüngeren Frauen kombiniert.
Wie gefährdet filmisches Material aus jüngster Vergangenheit
ist, wenn es nicht zum „malestream“ gehört, hat die
Regisseurin bei Ihren Recherchen erlebt und mit ihrem Film einen Teil
dieses Materials gerettet.
Filmreihe „Fotofilm“
Antragstellerin: Katja Pratschke, Berlin
Art des Projekts: Filmreihe
Anteilige Förderung: 2.500 Euro
Katja Pratschke und Gustáv Hámos haben die Filmreihe Fotofilm
kuratiert. Ihr eigener preisgekrönter Foto-Film „Fremdkörper“ und
ein neues Projekt „Rien ne va plus“ wurden bereits im Rahmen
der Königinnenwege II von maecenia im Frankfurter Kunstverein vorgestellt.
Das Genre Fotofilm spielte bisher in der Filmgeschichte und in der Filmtheorie
keine große Rolle. Die für 2006 geplante Filmreihe wird fotografische
Filme von Agnès Varda, Chris Marker, Alain Resnais, Hubert Fichte/Leonore
Mau und anderen zeigen. Veranstaltungsorte sind das Museum Ludwig in
Köln, das Museum Folkwang in Essen und mehrere Filmfeste im In-
und Ausland. maecenia beabsichtigt die Filmreihe „Fotofilm“ auch
ins Filmmuseum Frankfurt einzuladen.
„Wer spricht?“
Antragstellerinnen: Maria Binder und Verena Franke, Berlin
Art des Projekts: Dokumentarfilm
Anteilige Förderung: 3.000 Euro
Der Dokumentarfilm von Maria Binder und Verena Birgit Franke erzählt
die Geschichte von fünf Frauen, die in der Türkei von der Polizei
gefoltert worden sind. Sie haben öffentlich über die ihnen
widerfahrene Gewalt gesprochen, deswegen werden einige von ihnen wegen „Beleidigung
des türkischen Staates“ bis heute gerichtlich verfolgt. Der
Film fragt: Wer definiert? Wer hat die Hegemonie? Wer spricht das Urteil?
Es geht um Privatheit und Öffentlichkeit, um öffentliches Sprechen
als widerständiger Akt. Die Autorinnen vermitteln ein Bild von Frauen,
die nicht nur Opfer, sondern aktive, handelnde Menschen sind.
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