Projektförderung 2014

Die Frankfurter Stiftung maecenia für Frauen in Wissenschaft und Kunst fördert 2014 acht neue Projekte mit insgesamt 26.500 Euro. Die aus über 100 Antragstellerinnen ausgewählten Künstlerinnen und Wissenschaftlerinnen setzen die Lebenswirklichkeiten und Freiheitsbestrebungen von Frauen verschiedener Generationen in den Blickpunkt und reflektieren diese in vielfältig konzipierten Projekten. Ein Schwerpunkt liegt 2014 auf dem Genre des Films: Gefördert werden vier Dokumentarfilme und ein Filmfestival. Darüber hinaus unterstützt maecenia eine „Pilgerreise“, eine wissenschaftliche Publikation und die Fertigung einer Großplastik.

Foto Barbara Heller

Foto Barbara Heller

Am liebsten wäre ich selbst Musik

Antragstellerin:  Lilo Mangelsdorff, Frankfurt
Art des Projektes:  Dokumentarfilm
Fördersumme:  4.000 Euro

Der Film über die Darmstädter Komponistin Barbara Heller, geboren 1936, dokumentiert einen Lebensweg – geprägt von vielen Hemmnissen und Selbstzweifeln –, wie er für viele Künstlerinnen ihrer Generation exemplarisch ist. Sie studierte Musik und durfte sogar "ausnahmsweise" an der Kompositionsklasse teilnehmen. Heirat und die Geburt ihres Sohnes beendeten ihre Karriere als erfolgreiche Klavierinterpretin und Komponistin. In den 1970er Jahren startete Barbara Heller einen Neuanfang und widmete sich verstärkt den eigenen Kompositionen. Lange schreckte sie davor zurück, sich selbst als Komponistin zu bezeichnen, bis sie in den Biografien früherer Komponistinnen Parallelen zu sich entdeckte. Sie gründete mit anderen den "Internationalen Arbeitskreis Frau und Musik", der sich als Zusammenschluss von Komponistinnen, Musikerinnen und Musikwissenschaftlerinnen der von Frauen geschaffenen Musik widmet. Wie dieser Kreis will auch der Film über Barbara Heller andere Musikerinnen in ihrer Arbeit bestärken.

Als Dokumentarfilmerin realisiert Lilo Mangelsdorff Kinofilme und Kurzfilme zu kulturellen und sozialen Themen. Gemeinsam mit Wolfgang Schemmert gründete und betreibt sie eine eigene Produktionsfirma.

Fragments of Freedom

Antragstellerin:  Magda Wystub, Berlin
Art des Projektes:  Dokumentarfilm
Fördersumme:  3.500 Euro

Der Dokumentarfilm portraitiert drei Extrembergsteigerinnen verschiedener Generationen, die Herausragendes geleistet haben, doch in der öffentlichen Wahrnehmung kaum vorkommen. Sie stehen für den Versuch, ein unabhängiges, selbstbestimmtes Leben zu führen und die eigenen Träume und Ideale entgegen allen gesellschaftlichen Widrigkeiten ihrer Zeit zu verwirklichen. Die Alpinistinnen Jeanne Immink (1853–1929), die Schweizerin Silvia Metzeltin und eine junge Iranerin haben jede dazu beigetragen, die männliche Dominanz im Bergsport in Frage zu stellen. Fragments of Freedom kombiniert unterschiedliches Filmmaterial sowie verschiedene Stilformen: Persönliches und Historisches, Anekdoten und bisher unveröffentlichte Zeitdokumente wechseln sich ab mit inszenierten Akrobatik-Szenen in Stop-Motion-Technik und imposanten Bildern einer Kletterexpedition. Dabei rückt der Film auch den gesellschaftlichen Hintergrund des Alpinismus ins Blickfeld.

Die Soziologin Magda Wystub arbeitet als Regisseurin mit Fragments of Freedom an ihrem zweiten großen Dokumentarfilm-Projekt. Für ihren ersten Film Yes, We Are erhielt sie 2012 den Preis für den besten Dokumentarfilm bei den Queer-Migrantischen Filmtagen in Wien.

Kinothek Asta Nielsen

Film im Handtaschenformat

Antragstellerin:  Heide Schlüpmann, Kinothek Asta Nielsen, Frankfurt
Art des Projektes:  Filmfestival
Fördersumme:  3.500 Euro

Das geplante Festival des Amateurfilms Film im Handtaschenformat richtet den Fokus auf die Amateurinnen hinter der Schmalfilmkamera. Im Zentrum des Filmprogramms und der Vorträge und Diskussionen soll die Frauen- und Genderthematik stehen, ebenso wie kuratorische Fragen der Präsentation, Archivierung und Digitalisierung. Seit gut drei Jahren befasst sich die Kinothek Asta Nielsen in Frankfurt am Main mit dem Sammeln, Erfassen, Erschließen und Präsentieren privater Filme im Schmalfilmformat. Der Amateurfilm ist für die filmkuratorische Arbeit nach wie vor Neuland. Das Festival soll das Amateurinnenfilmprojekt der Kinothek einer breiten Öffentlichkeit präsentieren und der weiteren Vernetzung dienen. Es bietet neben dem Schauvergnügen auch geschichtliche und soziale Einblicke und zeigt, wie der Amateurfilm in Formate des künstlerischen Films, etwa des Tagebuchfilms, hinüberspielt.

Die Filmwissenschaftlerin und Professorin Heide Schlüpmann ist Mitbegründerin der Kinothek Asta Nielsen in Frankfurt. Diese will mit Filmprogrammen Filmgeschichte schreiben und knüpft dabei an die "losen Enden" der Filmarbeit der neueren Frauenbewegung in Theorie und Praxis an.

Montserrat

Antragstellerin:  Wanda Pratschke, Frankfurt
Art des Projektes:  Gipsmodell für Bronzeguss
Fördersumme:  2.000 Euro

Wanda Pratschke arbeitet seit 35 Jahren als Bildhauerin in Frankfurt am Main und ist mit ihren Plastiken an mehreren öffentlichen Orten präsent. Ihr Werk kreist um das Thema des weiblichen Körpers. Es geht ihr dabei nicht um das Zeitlose, Schöne und Ideale, sondern um Formfindung, Verteilung der Massen und das Verhältnis zum Raum. Anlässlich ihres 75. Geburtstages im Februar 2014 wird eine Ausstellung im Karmeliterkloster in Frankfurt am Main stattfinden, für die sie eine neue Großskulptur mit dem Namen "Montserrat" als Körperfragment schaffen wird (Maße 1,70 cm hoch, 65 cm breit und 55 cm tief). Wanda Pratschke beschäftigt sich schon eine Weile mit der Fragmentierung des Körpers. Ihr Arbeitsmaterial ist dabei Gips, flüssig oder als Gipsplatten. Durch Auftragen, Wegschlagen und Zusammenziehen der formbaren Massen entsteht eine bewegte Oberfläche. Das Gipsmodell wird dann 2014 in Bronze gegossen.

Wo die freien Frauen wohnen

Antragstellerin:  Uschi Madeisky, Frankfurt
Art des Projektes:  Dokumentarfilm/Postproduktion
Fördersumme:  4.000 Euro

Der Dokumentarfilm „Wo die freien Frauen wohnen“ handelt vom Leben" der Mosuo am von Bergen umgebenen Lugosee im Südwesten Chinas. Die Mosuo gehören einer matrifokalen Gesellschaft an, in der die Frauen die wirtschaftlichen und sozialen Fäden in der Hand halten. Mosuo gründen keine neuen Kleinfamilien, sie leben in ihren Ursprungsfamilien zusammen. So kennen sie auch keine Ehe, der Liebhaber bleibt nur über Nacht. Die Frau ist die Einladende. Das hat den Mosuofrauen im gesamten China den Ruf eingebracht, sie seien leicht zu haben. Der innerchinesische Tourismus nahm aus diesem Grund zu. Der Film geht der Frage nach, was Liebe für die Mosuo bedeutet und wie sie Tradition und Tourismus vereinbaren. Das Projekt wurde von der Hessischen Filmförderung unterstützt. maecenia fördert die aufwändige Postproduktion. Der Arbeitsschwerpunkt der Filmproduzentin Uschi Madeisky liegt seit Mitte der 90er Jahre bei Dokumentarfilmen über matriarchale Kulturen. Ihr Wissen über diese Kulturen gibt sie bei Filmvorführungen, Vorträgen und Kongressen weiter. Für ihr Engagement für die Verbesserung der Stellung der Frauen in der Gesellschaft erhielt sie 2002 den Tony-Sender-Preis der Stadt Frankfurt am Main und 2015 den Elisabeth-Selbert-Preis des Landes Hessen.

Feminismen in Aktion! Eine Protest- und Widerstandsgeschichte von den Tomatenwürfen bis zu den Slutwalks

Antragstellerin:  Dr. Christiane Leidinger, Berlin
Art des Projektes:  Publikation
Fördersumme:  2.000 Euro

Christiane Leidinger fragt in ihrer Publikation nach den politischen Aktionsformen der verschiedenen Flügel der Frauenbewegungen in der BRD seit 1968 bis heute.
Die von ihr in Archiven und anderen Quellen recherchierten Spielarten von Protest (Besetzung, Demonstration, Sabotage, Streik, Straßentheater usw.) will sie entlang bisheriger und kritisch zu reflektierender Systematisierungen sozialer Bewegungsforschung sortieren und analysieren. Dabei kommt der immensen Bandbreite demonstrativer Akte und direkter Aktionsformen von Frauen eine besondere Bedeutung zu, wie sie in der Forschung bisher kaum untersucht wurden. Mit dem Buch wird Wissen über Protestaktionen vermittelt, die eine Form politischer Partizipation darstellen und die Kritik an den gesellschaftlichen Verhältnissen aus der Perspektive von Frauen formulieren.

Dr. Christiane Leidinger ist freischaffende Politikwissenschaftlerin und Autorin. Sie lebt in Berlin, arbeitet als universitäre Lehrbeauftragte und ist seit 1996 in der politischen Bildungsarbeit tätig.

Foto Anna Poetter

Ofrenda III – das Allerheiligste auf den Spuren GELDES. Eine Pilgerreise von Zürich nach Frankfurt am Main

Antragstellerin:  Anna Poetter, Weisendorf
Art des Projektes:  Pilgerreise und Ausstellung
Fördersumme:  4.000 Euro

"La Ofrenda" ist im Spanischen die Opfergabe. Ofrenda III ist der letzte Teil einer Trilogie von Aktionen, mit der die Künstlerin Anna Poetter die Frage nach den Werten der modernen westlichen Gesellschaft stellt.
Anna Poetter reist im Pilgerkostüm von Zürich über München, Augsburg, Nürnberg, Würzburg nach Frankfurt am Main. Auf ihrem Weg liegen Orte, die eng mit der Geschichte des Geldes, seiner materiellen Existenz oder seiner Virtualität verbunden sind. Ihr ironisch-überspitzter Ansatz schließt rituelle Handlungen und Interviews zum Phänomen Geld mit ExpertInnen aus der Finanz- und Wirtschaftswelt ein. Das Projekt lebt nicht zuletzt auch von vielen Momenten spontaner Begegnungen.
Die Videokünstlerin Katrin Kaa Riedl wird die wichtigsten Stationen mit der Kamera begleiten und eine eigene Arbeit zum Thema entwickeln. Die Video-Kreation sowie Poetters Reisetagebuch und die Interviews werden online und in einer gemeinsamen Ausstellung zu sehen sein.
maecenia konnte eine Projektpatin gewinnen, die für die Pilgerreise 2.000 Euro spendet.

Anna Poetter, geboren 1974 und ausgebildete Schauspielerin, realisiert in eigenen Projekten raumspezifische Performances mit installatorischen Elementen. Ihre Arbeiten zählen zu den Genres "Live Art" und "Theatrale Kunst".

Selbstportrait Abisag Tüllmann "Ich mit kurzen Haaren", 1963

Die Frau mit der Kamera

Antragstellerin:  Claudia von Alemann, Köln
Art des Projektes:  Dokumentarfilm
Fördersumme:  3.500 Euro

Die Filmregisseurin Claudia von Alemann war seit 1965 mit der Fotografin Abisag Tüllmann bis zu deren Tod 1996 freundschaftlich und künstlerisch eng verbunden. Ihr Film„Die Frau mit der Kamera – Portrait der Fotografin Abisag Tüllmann“ entwickelt ausgehend von Tüllmanns Fotografien eine eigene Erzählweise in Bild und Ton.

Ob als gefragte Theaterfotografin oder Portraitistin von PolitikerInnen, KünstlerInnen, Kindern, MigrantInnen oder Obdachlosen – stets sah Abisag Tüllmann das Besondere und Einmalige des Augenblicks, das sie in ihren Bildern festhielt. Dies gilt auch für ihre Fotografien, die politische Protestbewegungen im In- und Ausland dokumentieren. Ergänzt durch die Gespräche der Regisseurin mit namhaften Zeitgenossen, die von Abisag Tüllmann in entscheidenden Momenten ihres Schaffens fotografiert wurden, entfaltet der Film ein lebendiges Dokument dieser Zeit.

Gefördert wird das Projekt von der Film und Medien Stiftung NRW und der Hessischen Filmförderung, der Abisag Tüllmann Stiftung, dem Historischen Museum Frankfurt, der bpk Bildagentur für Kunst, Kultur und Geschichte der Stiftung Preußischer Kulturbesitz Berlin sowie dem Deutschen Theatermuseum München.

Die Stiftung maecenia fördert die Herstellung einer englischen Sprachfassung, eines Trailers und weiterer Pressematerialien.

Claudia von Alemann lebte von 1969 bis 1987 in Frankfurt und ist Regisseurin und Produzentin zahlreicher Dokumentar- und einiger Spielfilme für Kino und Fernsehen, für die sie Preise und Auszeichnungen bei internationalen Film- und Videokunstfestivals erhielt.